Als im Frühjahr 2020 Kulturinstitutionen in Deutschland aufgrund der strikten Kontaktbeschränkungen geschlossen wurden, verlagerte die Kreative-Branche ihre Aktivitäten von Bühnen und anderen Orten der Live-Begegnung in digitale und hybriden Räume, was zu wilden Innovationen führte. Die Regeln des Theaters und der Live-Produktion wurden stündlich neu geschrieben. In dieser Zeit sollten wir bei bR die Konzipierung für eine große Produktion antreten – und arbeiteten nun alle von zuhause. Wir haben unseren eigenen Ansatz entwickelt, den wir als ‚Creative Prototyping‘ bezeichnen. Wir nehmen dich mit auf eine Reise zu dem, was möglich ist, sobald wir unsere Denkweise von ausgetretenen Pfaden lösen und beginnen, die Prozesse der Ideenfindung hin zur Gestaltung in einer und für eine hybride Welt zu modulieren.

Die Herausforderung

Wir wurden gebeten, bei der Konzeption der Eröffnungszeremonie für die Kulturhauptstadt Europas (ECOC) – Esch2022 zu helfen. Unsere Herausforderung: Öffentliche Zeremonien sind schon zu oft gemacht worden. Normalerweise werden sie für das Fernsehen gemacht und es fehlt die Interaktion mit den eigentlichen Gemeinden, die die Zeremonie beeinflussen soll. Lastwagenladungen von Geld werden in monumentale Arenashows gesteckt. Aber während sie ein Fest für jeden Showproduktions-Geek sind, haben wir uns gefragt: Aktivieren herkömmliche groß angelegte Zeremonien die Gemeinschaften, auf die sie abzielen, für einen Zeitraum, der länger ist als ihre Sendezeit?

Während viele solcher Großspektakel einfach nur zum Faszinieren gemacht sind, hat die Showproduktion mittlerweile eine Technologie gefunden, die eine unmittelbare Interaktion über den Bildschirm in das eigentliche kreative Gewebe der Show ermöglicht – sogar in Echtzeit. Aber wie konnten wir das überzeugend umsetzen?

Creative Prototyping

Esch-sur-Alzette, © Brendan Shelper

Design-Sprints, Abgeschiedenheit und vielfältiges Wissen

Unser CEO, Brendan Shelper, stellte mir das Konzept eines Design Sprints vor. Normalerweise eine Methode aus dem Silicon Valley nach Jake Knapp, um eine Idee schnell zu einem Prototyp und im Wesentlichen zu einem Produkt zu entwickeln, haben wir die Methode an unsere Bedürfnisse angepasst, so dass sie für unsere Ideenfindung bei battleROYAL sehr generativ wurde. Ihre größte globale Stärke ist, dass die Schritte dieser Methode die Teammitglieder dazu zwingen, die Fragen, die sie haben, oft genug neu zu formulieren, so dass sie zu neuen und unerwarteten Antworten kommen.

Normalerweise erstreckt sich ein Design Sprint über eine Fünf-Tage-Woche. Da im März 2020 alle im Homeoffice mit ihren Aufgaben beschäftigt waren, beschlossen wir, den Sprint in Stücke von vier Stunden zu unterteilen, an zwei festgelegten Tagen pro Woche, über einen Zeitraum von etwa zwei Monaten. Diese Struktur ermöglichte es uns, mit Volldampf in jede Sitzung zu gehen und in wechselnden Teams an verschiedenen Themen zu arbeiten, die sich voneinander unterscheiden und aufeinander zugehen. Die Kreation fand vollständig in der digitalen Welt statt; Zoom, Google Slides und einige Miro-Whiteboards wurden zu unserem virtuellen Studio, in dem wir zweimal pro Woche unsere Ideen tanzen ließen. Unendlich erweiterbar, aber dennoch Räume, die durch einfache visuelle Abstimmungen gefiltert werden konnten.

Creative Prototyping

Esch-sur-Alzette, © Brendan Shelper

Offline zwischen diesen Fokus-Sessions konnten wir allen beteiligten Kreativen, Strateg:innen und unseren Sparringspartner:innen im Team von Esch2022 viel Raum geben, um alleine zu arbeiten. Warum eigentlich? Weil es wirtschaftspsychologisch erwiesen ist, dass Menschen fruchtbarere Ideen haben, wenn sie alleine arbeiten. Schließlich sitzt David Lynch angeblich nur eine Stunde lang in einem Schaukelstuhl in völliger Stille – und schon würden ihm Bilder und Ideen kommen. Ideen gewinnen aber erst dann an Substanz, wenn sie diversifiziert und entsprechend kritisch hinterfragt werden.

Zudem hat der Wissensmix bei battleROYAL den größtmöglichen Spielraum für die Ideenfindung geschaffen: sinnvolle Verschränkungen von Theorie und Praxis. Mit einer Geschichte in der Gestaltung und Konzeption von Eröffnungs-Zeremonien konnte battleROYAL ein breites Spektrum an Fachleuten aus der ganzen Welt versammeln, um Perspektiven zu kombinieren – von den Macher:innen der größten öffentlichen Zeremonien der jüngeren Vergangenheit über zeitgenössische Theaterspezialist:innen, Kulturstrateg:innen, Popkulturschaffende, Big Player der Berliner Techno-Szene bis hin zu vielen wichtigen Kulturakteur:innen rundum die Welt der Kulturhauptstädte.

Creative Prototyping

Esch-sur-Alzette, © Brendan Shelper

Darstellung der Experience Journey

Nun, mit Volldampf in unserem Creative Prototyping Prozess, mussten wir das Feld der Möglichkeiten durchforsten. Einer der großen Vorteile eines Design Sprints ist die Geschwindigkeit, mit der neues Material generiert, kritisiert und gefiltert wird. Crazy 8’s, bei denen alle Teilnehmende innerhalb von 8 Minuten (genau eine Minute pro Idee) 8 Lösungen für ein Problem finden mussten, wurde zu unserem meistgenutzten Werkzeug. Besonders im digitalen Bereich konnten unsere persönlichen Crazy 8’s Folien mit Bildern, Zitaten, Links und rudimentären Google Shapes gefüllt werden. Eine Person kritzelte sogar eine Idee auf ein echtes Blatt Papier und lud ein Foto ihrer Kritzelei in die Google-Folie hoch. Ja, reden wir über hybride Kreation, genau hier! (Scherz!)

Wir kehrten zu Jake Knapps Skizze des Design Sprints zurück und kartierten die Zugangspunkte und Experience Journey für alle Arten von Zielgruppen, von lokalen Einwohner:innen, über kulturelle Gruppen, Künstler:innen, Gäste, Teilnehmende, Produktionspartner:innen bis hin zu unserem Kunden. Bald kristallisierten sich bestimmte Plattformen heraus; Orte, an denen diese Gruppen auf natürliche Weise zusammenkommen und in Zukunft einen gemeinsamen Raum teilen werden. Das waren die Räume der Möglichkeit; hier wird die Magie stattfinden. Diese werden die Basis für jede Show-Idee bilden, die wir uns ausdenken, um die Momente, die uns vorschweben, zu gestalten.

Dies ist Teil 1 von 2 von Andy Machals über den Creative Prototyping Prozess und die Herangehensweise von battleROYAL an die Konzipierung des Esch2022 – European Capital of Culture Launch. Teil 2 folgt am 30. März 2021.

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