Wie klingt der Sound einer Region? Unsere Future Frequencies Initiative hat die Antwort
Während Musik etwa dank Streaming-Diensten im Überfluss erreichbar ist und Konsument:innen jeden Tag mit neuen Veröffentlichungen aus aller Welt berieselt werden, bleibt vor allem ein Sound oft im Verborgenen: Die Musikszene vor der eigenen Haustür. Wie klingt eigentlich die eigene Stadt oder gar ganze Region? Wer sind die Menschen, die vor Ort Musik zu ihrer Leidenschaft machen? Welche Instrumente und Genres nutzen sie? Und wer bastelt daheim die Beats der Zukunft? Wir haben einen Weg gefunden, diesen Grass-Roots-Sound einer Stadt zu bündeln und zum Leben zu erwecken: Wir präsentieren Future Frequencies.
Future Frequencies heißt die neue Initiative unseres Berliner Kreativstudios, die im Februar dieses Jahres erfolgreich die diverse Musikszene der Europäischen Kulturhauptstadt Esch2022 in Luxemburg zusammengebracht und gefeiert hat. Wir bieten das Format nun auch anderen Städten und Regionen an, die ihre aufstrebenden Musiker:innen entdecken, unterstützen und nachhaltig aufbauen wollen.
Future Frequencies versammelt enthusiastische Sound-Schaffende von morgen zu einem eklektischen Mix aus Genres, Persönlichkeiten, Backgrounds, Generationen und Einflüssen, um die musikalische Vielfalt einer Region offenzulegen, zu zelebrieren und ihrem Sound ein so noch nie entdecktes Gesicht und Gehör zu geben.
Die Initiative richtet sich an Nachwuchsmusiker:innen und etablierte Amateur-Künstler:innen, an Instrumentalist:innen oder ganze Bands, an DJs oder Singer-Songwriter. Über eine offene Ausschreibung können sie sich für eine Reihe von Workshops bewerben und erkunden dort ihren eigenen und den gemeinschaftlichen Sound. Kreative Offenheit oder sogar Unverfrorenheit sind dabei strengstens erwünscht.
Wie eklektisch gut der Outcome ist, zeigte die erste Edition von Future Frequencies in der europäischen Kulturhauptstadt Esch2022. Rund ein halbes Jahr dauerte das Projekt an – von Auswahl der Teilnehmenden zu den intensiven Workshops und Proben bis hin zum finalen Cross-Genre-Konzert, das so noch keine Stadt von sich selbst erlebt hat. Der Mix aus den heterogenen Stilen und Charakteren brachte einen völlig frischen, authentischen und vor allem einmaligen Sound hervor.
Auf den offenen Call von Esch2022 hatten sich Musikschaffende aller Facetten beworben: Chöre, Ambient Electro Producer, eine Hurdy-Gurdy-Spielerin, eine Brass Band, Solo-Sänger:innen, eine Heavy-Metal-Band oder ein Mandolinenorchester, um nur einige zu nennen. Das Alter der Teilnehmer:innen reichte von 13 Jahren bis Ende 40. Außerdem wurden einzelne bestehende Institutionen wie das Musikkonservatorium in Esch-sur-Alzette involviert. Insgesamt wurden 15 Bewerber:innen ausgewählt.
Wir buchten für die Umsetzung des Formats Future Frequencies international profilierte Künstler:innen, die die aufstrebenden Musikschaffenden als Mentor:innen begleitet haben. Das Projekt leiteten Frank Wiedemann, Gründer des Berliner Labels Innervisions, und der britische Produzent Matthew Herbert als Musical Directors. Die Movement Direction für das Konzert übernahm die etablierte Londonerin Imogen Knight und Stage Director war Gabriela Flores. Allen ging es wie Herbert: “Ich wusste nichts über die Region und ihre Musik, als ich herkam, aber ich ging mit einem wirklich starken Eindruck für die Qualität der musikalischen Diversität.”
In dem Workshop, geleitet von Wiedemann und Herbert, lernten die Teilnehmer:innen neue Wege, ihren persönlichen Sound zu etablieren, ihre musikalische Comfortzone zu challengen und ihre Kunst auf ein nächstes Level zu heben. Dafür kollaborierten die Sänger:innen mit den Instrumentalist:innen, fassten Songwriter die Region in Worte oder sammelten einige Produzent:innen tatsächlich Geräusch-Samples in der ganzen Stadt für ihre Musik. Mit ihrer Arbeit sollte die große Frage beantwortet werden: Wie klingt die musikalische Zukunft der Region? Als Antwort arrangierten Wiedemann und Herbert, gemeinsam mit dem Future Frequencies Teilnehmenden, aus dem Material eine Genre übergreifende, einzigartige Soundscape, wie sie nur in der Esch-Region klingen kann.
Die Musikalische Leitung war selbst extrem positiv überrascht über das Resultat. Wiedemann reflektierte: “Mit der Initiative zeigt sich, welchen Einfluss kulturelles Kapital haben kann: Zeig, was da ist und dann baue darauf auf. Gehe über die Möglichkeiten, die da sind, hinaus, versuche die Grenzen auszudehnen. Hier ist so viel los und so viel Talent. Das wird gebraucht.”
“Ich habe über die Jahre viele Konzerte gemacht und viel Musik gesehen, aber so etwas habe ich noch nie gesehen. Das Projekt war ein Risiko, aber weil wir alle das Risiko geteilt haben, haben wir etwas Interessantes, Ungewöhnliches, wirklich Modernes und Durchdachtes kreiert”, fasste Herbert die Arbeit der Initiative zusammen.
Das finale Konzert von Future Frequencies wurde als ein fortlaufendes Musikstück performt, dass das Publikum mitnahm auf eine Reise durch den vielschichtigen Sound der Region. Selbstbewusst wurden Genres in sich verschränkt und verbunden: Vom zeitgenössischen Mandolinenspiel zu Ambient Electro, von französischem Rap zu einer persischen Ballade spielten über 100 lokale Musiker:innen die eklektische Komposition zusammen auf der Bühne.
Einer der Performer war Amateursänger Olivier Crochet: “Ich arbeite in der Banking-Branche, dort ist es nicht so aufgeschlossen. Wir hatten echt gute Mentor:innen und es war großartig mit allen zusammenzuarbeiten und dieses Konzert zu kreieren.”
Während der Eröffnungsfeier von Esch2022 wurde das Ergebnis von Future Frequencies zwei Mal mit einer epochalen Licht- und Videoshow aufgeführt. Der Sound zog an: Beide Male war die größte Konzerthalle von Luxemburg, wo Future Frequencies stattfand, maximal ausgelastet.
Movement Director des Konzerts Imogen Knight erklärt das Erfolgsrezept der Initiative so: “Es fühlt sich an, als hätte man eine Community zusammengebracht, die sich vorher noch nie getroffen hat. Und mit ihrer Musik und ihrer Offenheit konnten wir etwas wirklich Authentisches entstehen lassen, das allen gehört und das genau zu Esch2022 gehört. Das ist für mich die Bedeutung von Kreation.” Mit Future Frequencies wurde ein nachhaltiger Grundstein für die Musikszene der Region gelegt – für dieses aber auch für die kommenden Jahren.
Bei battleROYAL Berlin entwickelten wir die Initiative zunächst, um der Musik der Region Esch als wichtiges Kulturgut eine einmalige Plattform zu geben. Future Frequencies fiel dabei so fruchtbar aus, dass wir die Initiative auch in andere Städte und Regionen übersetzen möchte, um deren Musikszene mit diesem neuartigen Konzept zusammenzubringen und bisherige Grenzen zu öffnen. Welche Stadt ist der nächste Sound der Zukunft?