Diese Woche haben wir Creative Director und Storytelling-Mastermind Michael Masberg interviewt. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, wie sein vielseitiger Hintergrund als Theatermacher, Rollenspieler und Romanautor seine Herangehensweise an Storytelling und Dramaturgie für bR-Projekte im Allgemeinen und den Launch von Esch2022 im Besonderen beeinflusst.

battleROYAL: Erzähl uns etwas von dir, wie würdest du deine Arbeit beschreiben?

Michael: Ich bin ein multidisziplinärer Geschichtenerzähler. Vielleicht langweile ich mich auch einfach schnell. Aber ich liebe es, in verschiedene Genres, Kunstformen und Arten des Storytellings einzutauchen und sie miteinander zu kombinieren. Diese Neugier für neue Zusammenhänge stelle ich als Associate Creative Director in den Dienst von battleROYAL. Im Grunde genommen verwandle ich Ideen in spannende Geschichten und benutze alle Werkzeuge, die sich mir bieten.

battleROYAL: Was ist dein Hintergrund?

Michael: Diese Frage konnte ich noch nie einfach beantworten. In meinem Lebenslauf stehen ein abgebrochenes Studium der Theaterwissenschaft und vier Jahre als Regieassistent an einem städtischen Theater. Seit fast zwölf Jahren arbeite ich freiberuflich: als Autor, Regisseur, Veranstalter und Kurator. Das Spektrum reicht von renommierten Institutionen bis hinab in den tiefsten Untergrund. Seit gut 16 Jahren bin ich zudem als Autor und Spieldesigner für verschiedene Rollenspiele tätig. Und ich habe mehrere Romane veröffentlicht, sowohl unter meinem Namen als auch unter dem Pseudonym Sam Greb. Das ist nur ein sehr grober Überblick. Wie gesagt, ich bin neugierig und halte mich gerne beschäftigt.

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© Marcel Schwickerath

battleROYAL: Wie hat dieser Hintergrund deine Arbeit an dem Konzept für den Esch2022-Launch beeinflusst?

Michael: Zu meinen bisherigen Stationen gehören zwei andere Europäische Kulturhauptstädte: RUHR.2010 und Aarhus 2017. 2010 habe ich von beiden Seiten erlebt: zuerst als lokaler Künstler, später als Teil des Kreativteams der Abschlusszeremonie. Auch wenn jede Kulturhauptstadt anders ist, erwiesen sich bestimmte Erkenntnisse als sehr nützlich für unsere Arbeit bei bR.

battleROYAL: Wie hat das genau die Arbeit für Esch2022 beeinflusst?

Michael: RUHR.2010 war die erste Kulturhauptstadt, die eine ganze Region repräsentierte und im Kern auf lokale Talente und Kooperationen setzte. In der Praxis war dieser Ansatz jedoch nicht voll entwickelt. Aarhus 2017 war da bereits weiter.

Europäische Kulturhauptstädte entwickeln sich langsam. Das liegt in der Natur der Sache. Jede Kulturhauptstadt befindet sich viele Jahre in der Vorbereitung. Entscheidungen werden getroffen, während die unmittelbaren Vorgängerstädte noch keine Gelegenheit hatten, Erfahrungen zu sammeln. Und nicht alles Wissen wird über das eigene Land hinaus geteilt, in dem es gewonnen wurde. Wir von battleROYAL hingegen können unsere Erfahrungen direkt in den Prozess von Esch2022 einbringen.

battleROYAL: Ist deine Rolle also die eines “Experten vergangener ECOCs”?

Michael: Teilweise. Vor allem aber schaue ich voraus und achte auf eine dramaturgisch runde und atmosphärisch dichte Erzählung.

battleROYAL: Welche Aspekte deiner früheren Erfahrungen helfen dir besonders dabei?

Michael: Interessanterweise haben nicht so sehr meine Erfahrungen, die im Theater oder als Romanautor gemacht habe, den größten Einfluss. Mein Rollenspielhintergrund hat den größten Anteil. Ich bin seit meinem 13. Lebensjahr Spielleiter und seit 2005 professioneller Spieldesigner. In meiner Spielrunde stelle ich die Mitspielende jede Woche für bedeutungsvolle Entscheidungen und überlasse ihnen das Steuer der Erzählung. Es macht Spaß, dies mit einer Experience dieser Größenordnung zu verbinden.

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© Brendan Shelper

battleROYAL: Wie hast du den Prototyping Prozess für das Esch2022-Launch-Konzept erlebt?

Michael: Es war sehr spannend und inspirierend. Unser Team besteht aus wunderbaren Menschen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen. Es war wie eine tolle Jam-Session: Alle beherrschen ihr jeweiliges Instrument, und am Ende kommt etwas heraus, das niemand vorher erwartet hat.

battleROYAL: Was hat diesen Prozess besonders gemacht?

Michael: Außer Corona? Okay, ich glaube nicht, dass die Frage ohne den Kontext der Pandemie beantwortet werden kann. Sie schlug mit voller Wucht genau in dem Moment zu, als wir im Begriff waren, unseren Prozess zu starten. Gleichzeitig wurde sie zu einem Katalysator für kreative Energien. Wir dachten nicht mehr nur über ein neues Konzept für die Eröffnung einer europäischen Kulturhauptstadt nach. Plötzlich überdachten wir das Konzept der Eröffnung einer Kulturhauptstadt an sich.

battleROYAL: Was ist die Relevanz von Zeremonien in dieser Zeit?

Michael: Gemeinsame Erfahrungen halten eine Gemeinschaft zusammen. Außerdem glaube ich, dass Esch2022 als ECOC hier eine weitere wichtige Rolle erfüllt. Dies sind keine außergewöhnlichen Zeiten. Dies ist unsere neue Normalität. Egal, wie sich die Pandemie entwickeln wird, der Status quo ante kommt nicht zurück. Ein zeremonielles Erlebnis wie der Esch2022-Launch akzeptiert dies und kann so ein leuchtendes Beispiel sein. Wir brauchen diese positiven Narrative, um uns zu zeigen, was möglich ist, wenn wir nicht an der Vergangenheit festhalten, sondern uns zusammen als Gemeinschaft nach vorne bewegen. Das ist sehr beeindruckend!

battleROYAL: Hatte dieser transformative Aspekt des Projektes einen Einfluss auf dich persönlich?

Michael: Ja, das lässt sich so sagen. Es ist eine dieser besonderen Gelegenheiten, in denen alles, was man bisher gelernt hat, in Frage gestellt wird. Aber dabei verliert es nicht seine Gültigkeit. Es wird transformiert. Ich habe in den letzten zwölf Monaten viel gelernt, was meine kreative und künstlerische Arbeit verändert. Und das meiste davon durfte ich durch dieses spezielle Projekt lernen.

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© Marcel Schwickerath

battleROYAL: Gab es etwas, das weniger herausfordernd war?

Michael: Ja: Reisen. Ich habe so viel Lebenszeit gewonnen, die ich nicht im Zug oder an Flughäfen verbracht habe.

battleROYAL: Es geht nun an die Produktionsphase dieses Projekts. Woran arbeitest du gerade?

Michael: Ich habe im Moment zwei Schwerpunkte. Der eine ist das Skript für den Launch. Dafür haben wir unseren Writer’s Room erweitert, und diese frischen Augen und Köpfe fügen dem Ganzen eine spannende Dynamik hinzu. Ich leite diesen Prozess.

Zum anderen entwickle und betreue ich ein musikalisches Projekt. Leider kann ich noch nicht viele Details darüber verraten. Aber es wird großartig und hat das Potenzial, die musikalische Landschaft in Esch und der Region zu verändern.

battleROYAL: Was versuchst du in der Umsetzungsphase immer beizubehalten?

Michael: Vorhin habe ich über diesen speziellen Jam-Session-Vibe gesprochen. Genau das.

battleROYAL: Was findest du am spannendsten an Esch2022?

Michael: Am meisten freue ich mich auf das, was ich noch gar nicht weiß. Ich liebe Überraschungen. Es gibt so viele Talente, die hinzukommen oder die wir zutage fördern werden. Für mich liegt das wahre Potenzial von Esch2022 in dieser großen Unbekannten. Ich weiß nicht, was kommen wird, und ich empfange es mit offenen Armen.

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